Am 2. September 2021 verkündete der Europäische Gerichtshof (EuGH) seine Urteile in den beiden den Nürburgring betreffenden Verfahren. Der EuGH hat mit seiner Entscheidung einen wesentlichen Teil des Urteils des Europäischen Gerichts (EuG) aufgehoben und die entsprechende Entscheidung im Beschluss der Europäischen Kommission (KOM) für nichtig erklärt.

Soweit die offizielle Nachricht. Aber was bedeutet das für den Nürburgring? Soweit zu diesem Zeitpunkt möglich, möchten wir die Zusammenhänge verdeutlichen.

Was hat der EuGH entschieden?

Stark vereinfacht hat der EuGH zwei Dinge festgestellt:

  • Beim Verkauf des Nürburgrings an die capricorn Besitzgesellschaft mbH wurde eine sogenannte Finanzierungsbestätigung der Deutschen Bank vorgelegt. Der EuGH hat nun endgültig festgestellt, dass dieses Schreiben keine Finanzierungszusage enthielt.
  • Der EuGH hat weiterhin festgestellt, dass der KOM vor ihrem Beschluss Informationen und Unterlagen zur Verfügung standen, die Zweifel am Verkaufsverfahren und am Zuschlag hätten wecken müssen.

Aufgrund dieser Feststellungen hat der EuGH einen Teil des Urteils der ersten Instanz (EuG) aufgehoben sowie einen Teil der Entscheidung der KOM für nichtig erklärt. Hierbei handelte es sich jeweils um die Teile, in denen festgestellt wurde, dass der Verkauf rechtmäßig abgelaufen sei. Die KOM muss nun ein förmliches Prüfverfahren eröffnen, um den Verkauf erneut zu prüfen und zu bewerten.

Vom Ergebnis dieses Prüfverfahrens wird es abhängen, wie es am Nürburgring weitergeht.

 

Gibt es eine realistische Chance für einen erneuten Eigentümerwechsel?

Nach der Entscheidung des EuGH halten wir einen Eigentümerwechsel für möglich. Sollte die KOM sich in dem nun beginnenden Prüfverfahren dazu entschließen, dass der Verkauf nach dem Beihilferecht bedenklich war, kann das unter Umständen zur Nichtigkeit des existierenden Kaufvertrags führen.

In einem solchen Fall hätte NeXovation eine gute Ausgangsposition, um einen erneuten Abschluss zu eigenen Gunsten herbeizuführen. JzN hatte diese Gefahr frühzeitig erkannt und durch eine eigene Klage dafür gesorgt, dass dieser Bieter nun nicht als einziger Sieger dasteht.

Einen einfachen Weg zu der von uns favorisierten Stiftung gibt es nicht, aber es zeichnet sich immerhin ein Weg ab. Der Verein „Ja zum Nürburgring“ wird die Entwicklung weiterhin sehr genau beobachten und sich auch an dem neuen Prüfungsverfahren beteiligen.

Das Ziel des Vereins war und bleibt eine langfristig stabile Lösung für den Nürburgring.

 

Welches Ziel verfolgt „Ja zum Nürburgring“?

Otto Flimm hatte über Jahrzehnte hinweg immer die nachhaltige Unterstützung des Nürburgrings im Blick. Der Nürburgring soll für alle da sein:

  • als Strukturförderungsmaßnahme dient er der Region in ihrer Entwicklung
  • als Rennstrecke fördert er den Motorsport, und hier ganz besonders den Gedanken des Breitensports
  • als Teststrecke unterstützt er die Industrie bei der Entwicklung neuer Technologien

An diesem Blickwinkel hat sich auch nach dem Ableben Otto Flimms nichts geändert. Der Verein vertritt übergeordnete Interessen zum Schutz einer langfristigen, guten Perspektive für den Nürburgring. Traditionell ist der Vorstand des Vereins mit Vertretern des Motorsports, der Politik und der Region besetzt, die die Ausrichtung des Vereins unterstützen.

Der Nürburgring wurde gebaut, damit die Region, der Motorsport und die Industrie von ihm profitieren sollten. Über mehr als 90 Jahre ist das gelungen, und JzN hat mit dem Bau der GP-Strecke einen wesentlichen Anteil dazu geleistet. Der Nürburgring soll nicht dazu dienen, einzelne zu bereichern, er soll vielen Menschen einen Nutzen bringen.

Aus diesem Grund favorisieren wir nach wie vor eine Stiftungslösung, in die die Rennstrecken eingebracht werden sollen, um ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden zu können.

 

Was ist der Hintergrund der Gerichtsentscheidungen?

Die Landesregierung hatte durch ihre fortwährenden Fehlentscheidungen den Nürburgring in die Insolvenz getrieben. Überdimensionierte Neubauten wurden ohne gesicherte Finanzierung gebaut, eine nachfolgende Verpachtung ging ebenfalls in die Brüche. Die dabei angewendeten Methoden führten zu rechtskräftigen Verurteilungen des damaligen Geschäftsführers Walter Kafitz wegen Untreue und des Finanzministers Deubel wegen Untreue und Falschaussagen. Die Rennstrecken wurden unverschuldet in das Desaster hineingezogen.

Der Nürburgring wurde zum Spielball der nun eingesetzten Insolvenzverwalter. In einem durch unsägliche Ereignisse geprägten Verkaufsverfahren (Hinausdrängen der am Nürburgring fest verankerten Bieter JzN und ADAC, Hereinfallen auf La Tene, das Pseudo-Unternehmen eines bekannten Hochstaplers) wurde dann mit Hilfe der Landesregierung capricorn als Bieter bevorzugt. Noch am Tag vor der Unterzeichnung gab es keine Finanzierungszusage, das Angebot war Schall und Rauch. Trotzdem drängten die KPMG und die Insolvenzverwalter den Gläubigerausschuss, capricorn als Käufer anzunehmen. Diese vorgelegte „Finanzierungszusage“ ist das nun endgültig durch den EuGH entwertete Schreiben der Deutschen Bank gewesen. Reinhold Schüsseler, der damalige Ortsbürgermeister von Nürburg, war der Einzige, der sich im Gläubigerausschuss nicht überfahren ließ. Er allein stimmte gegen den Verkauf.

Nach dem Verkauf am 11. März 2014 ging es dann munter weiter: bereits kurz nach der Unterzeichnung strauchelte der Käufer und konnte die nötigen Teilzahlungen auf den Kaufpreis nicht leisten. Der Kaufvertrag drohte zu platzen. Ein weiterer Vertrag sollte dann die Sicherheiten bringen, dass der Kaufpreis auch tatsächlich gezahlt würde. All dies war der Kommission, die sich noch in der Prüfphase befand, bekannt.

Capricorn konnte den Kaufpreis letztlich nicht aufbringen, es wurde ein neuer Investor gesucht, der an Stelle von Robertino Wild das benötigte Kapital einbringen sollte.

Trotzdem entschied die KOM am 1.10.2014 nicht nur über die Beihilfen an sich, sondern darüber hinaus auch, dass der Verkauf ordnungsgemäß abgelaufen sei. Dieser zweite Teil des Beschlusses ist nun für nichtig erklärt worden.

Der Verein „Ja zum Nürburgring“ hat von Anfang an die Vorgehensweise der Landesregierung und der Insolvenzverwalter kritisiert und immer wieder konstruktive Alternativen aufgezeigt. Schon früh haben wir darauf hingewiesen, dass die Vorgänge rund um den Verkauf Gerichtsverfahren nach sich ziehen würden, was dann auch eingetreten ist.

 

Die Aufgabe der Europäischen Kommission (KOM)

Die KOM hat seinerzeit festgestellt, dass knapp 500 Mio. € an unrechtmäßigen Beihilfen an die Nürburgring-Gesellschaften geflossen sind. Diese Beihilfen haben den Wettbewerb in der Region verzerrt, z.B. wurden die neuen Hotels mit diesen Mitteln gebaut, während andere Hoteliers alles aus eigener Tasche bezahlen mussten.

Nach der Feststellung solcher Beihilfen muss diese Wettbewerbsverzerrung wieder vom Markt verschwinden. Im einfachsten Fall geschieht das durch Zurückzahlen der Summe, was aber in diesem Fall nicht möglich war. Man entschied sich für einen Verkauf des Komplexes. Damit dabei dem Wettbewerbsrecht genüge getan wurde, musste der Verkauf nach strengen Regeln ablaufen. Die Einhaltung dieser Regeln entscheiden darüber, ob die KOM den Verkauf als beihilfenrechtlich unbedenklich erachten kann.

Der erste Versuch der KOM, den Verkauf zu bewerten, ist nun hinfällig. Deshalb muss sie nun erneut prüfen, und zwar dieses Mal richtig. Hat man beim ersten Mal recht salopp eine positive Entscheidung getroffen, so muss die KOM nun ein förmliches Prüfverfahren starten, bei dem alle Details untersucht werden.

Allerdings ist es nun so, dass der EuGH sehr tief durchgegriffen hat mit seiner Entscheidung. Er lässt keinen Zweifel daran und begründet das auch sehr deutlich, dass für capricorn nie eine Finanzierungssicherheit bestanden hat. Damit ist es der KOM nicht mehr möglich, nach erneuter Prüfung den Brief der Deutschen Bank trotzdem als ausreichend zu bewerten.

Es ist nicht absehbar, zu welchem Ergebnis die KOM mit ihrer Prüfung kommt. Davon hängt aber ab, wie es danach weitergeht.

 

Warum ist die Finanzierungsbestätigung so wichtig?

Zur Zeit des Zuschlags gab es noch drei Bieter: H.I.G, NeXovation und capricorn. Alle anderen Bieter waren vorher durch die Insolvenzverwalter aussortiert worden.

Ziel der Insolvenzverwalter war es, capricorn in eine entscheidungsreife Position zu bringen. Der Bieter H.I.G., der zwar weniger geboten hatte, aber über eine Finanzierung verfügte, wurde in dem Glauben gelassen, dass er gute Aussichten hätte. Sie waren so gut, dass H.I.G. bereits damit begann, eigene Unternehmen mit dem Namensbestandteil Nürburgring zu gründen. NeXovation wurde beiseitegeschoben, weil sie keine gesicherte Finanzierung nachweisen konnten. Und so gab es dann einen Zeitraum von wenigen Tagen, in denen capricorn das höchste Angebot mit einer Finanzierungsbestätigung vorweisen konnte, und dieses Angebot wurde mit einigem Druck dem Gläubigerausschuss vorgelegt und am selben Tag noch durchgepeitscht.

Nun hat sich aber die Finanzierungsbestätigung von capricorn in Schall und Rauch aufgelöst. Damit bleibt dann die Frage, warum andere Bieter mit höherem Gebot benachteiligt wurden, obwohl sie nicht schlechter dastanden als capricorn. All das war bereits damals offensichtlich, und genauso offensichtlich war es, dass sich andere Bieter eine solche Bevorzugung nicht gefallen lassen würden.

Das ist nun die Ausgangsposition für die erneute Prüfung der KOM: Bieter wurden abgewiesen, weil sie keine Finanzierung nachweisen konnten, aber der Käufer hatte ebenfalls kein Geld, was er dann ja kurz darauf eindrucksvoll unter Beweis stellte.

 

 

Pressekontakt:
Verein "Ja zum Nürburgring", Kontakt: Dieter Weidenbrück, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

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