Die Ereignisse am Nürburgring überschlagen sich in diesen Tagen. Was vor Tagen noch als „eine Frechheit, so etwas in die Welt zu setzen“ (SWR, Prof. Dr. Dr. Schmidt MA) und als „Störmanöver der unterlegenen Bieter“ (SWR, einer der Insolvenzverwalter) bezeichnet wurde, ist nun unumstößlicher Fakt: Das als transaktionssicher angesehene Finanzierungskonzept der Capricorn Nürburgring Besitz GmbH hat sich in Luft aufgelöst. Schlimmer noch, die in der Presse berichteten Details deuten auf massive Fehler im Handeln des Sachwalters Jens Lieser und auf ein Verhalten des Capricorn-Eigentümers Robertino Wild hin, das man nur als betrugsverdächtig bezeichnen kann. Die Insolvenzverwalter versuchen nun hektisch,  in Zusammenarbeit mit dem zweiten Käufer, der Fa. Getspeed, neue Investoren zu bewegen, anstelle von Capricorn/Wild in den bestehenden Kaufvertrag einzutreten. Dies geschieht mal wieder ohne Rücksprache mit dem Gläubigerausschuss, und es unterläuft die Zielsetzung, die mit dem von der EU-Kommission geforderten transparenten und diskriminierungsfreien Verkaufsverfahren verbunden sind. Spitzfindig wird behauptet, dies lasse ja den Kaufvertrag und die Vertragsparteien unangetastet, es werde ja nur ein Gesellschafter der Käufergesellschaft CNG ausgetauscht.

 

Hört man dagegen die Regierungserklärung der Ministerpräsidentin Malu Dreyer vom 15. Oktober, so scheint es noch eine andere Welt zu geben, in der nahezu alles bestens läuft, in der die EU den Verkauf des Nürburgrings abgesegnet hat, in der die Insolvenzverwalter gute Arbeit geleistet haben, und in der man nur in einer Randbemerkung etwas Sorge angesichts der aktuellen Entwicklungen am Ring habe. Alle Fehler seien in der Vergangenheit gemacht worden, und nun sei es auch mal gut. Und im Übrigen appelliere man an die Vertragsparteien, die Bedingungen des Vertrags einzuhalten. Wir sind gespannt, wie man durch reines Appellieren 5 Millionen und mehr auftauchen lassen will.
Dazu passt auch die Entscheidung des neuen Bürgermeisters der Verbandsgemeinde Adenau, Guido Nisius, auf Kuschelkurs mit Capricorn/Wild zu gehen und aus dem Verein „Ja zum Nürburgring“ auszutreten. Trotz seiner Verdienste hätte sich der Verein in den letzten Jahren nicht „neutral“ genug verhalten.

Es ist an der Zeit, einige Dinge klar auszusprechen.

 

Die Katastrophe ist eingetreten

Unsere Befürchtungen haben sich leider bestätigt. Einer der Käufer hat offensichtliche und bestätigte Zahlungsschwierigkeiten und setzt alle Mittel ein, um zu retten, was zu retten ist. Die Insolvenzverwalter und ihr Beraterteam bemühen alle denkbaren juristischen Winkelzüge, um den Kaufvertrag und damit ihre eigene Haut zu retten. Die Landesregierung ist auf Tauchstation gegangen. vereinzelte Regierungsmitglieder machen sich mit Ausreden lächerlich. Die ersten gegenseitigen Schuldzuweisungen werden laut. Die Region und der Motorsport spielen in diesem Ränkespiel schon lange keine Rolle mehr.

Am 30.9., dem Tag vor der EU-Entscheidung, bezeichnete Prof. Dr. Dr. Thomas Schmidt die Enthüllungen der Wirtschaftswoche zur nicht mehr existenten Finanzierungszusage der Deutschen Bank als „Frechheit“ und dementierte die Verhandlungen mit unterlegenen Bietern über einen Eintritt in den bestehenden Kaufvertrag. Wenige Tage danach zitiert die Wirtschaftswoche Repräsentanten dieser unterlegenen Bieter, die die Aussagen des Insolvenzgeschäftsführers deutlich als falsch darstellen. Zwei Wochen später bestätigt Axel Heinemann der Rhein-Zeitung gegenüber sogar, dass „seit Anfang dieses Monats“ an einer Auffanglösung gearbeitet würde. Eine Arbeit an einer Auffanglösung zum gleichen Zeitpunkt, als die Veröffentlichung in der Wirtschaftswoche als Frechheit bezeichnet wurde?

Seit wann wissen die Insolvenzverwalter bereits von der katastrophalen Lage rund um Robertino Wild? Haben sie in den Tagen vor der EU-Entscheidung wissentlich falsche Aussagen in der Öffentlichkeit gemacht, um die Entscheidung nicht zu gefährden? Was muss noch alles geschehen, bevor das Insolvenzgericht tätig wird und diese Vorgänge en Detail überprüft und insbesondere den Sachwalter austauscht? Man wird doch hoffentlich nicht auf die Idee kommen, die Insolvenzverwalter den selbst geschaffenen unsäglichen Zustand wieder beseitigen zu lassen, gegen ein weiteres Entgelt natürlich?

Und vor allem:

Wie soll aus diesem Sumpf eine langfristig stabile, gute Perspektive für den Nürburgring entstehen?

Was wird aus dem Ring, wenn es den Insolvenzverwaltern gelingt, ihn gegen den Willen der Region, des Motorsports und auch der Landesregierung an eine Heuschrecke zu verschachern?

 

„Ja zum Nürburgring“ und die Ereignisse dieses Jahres

Es sollte jedem bekannt sein, welche Rolle Otto Flimm und der Verein „Ja zum Nürburgring“ seit Jahrzehnten für den Nürburgring gespielt haben. Doch hier soll es vor allem um die Vorgänge in diesem Jahr gehen.

Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass die Rennstrecke Nürburgring nicht in private Hände gehört. Ein Betriebsmodell, das sich an einer Gewinnmaximierung ausrichtet, wird am Nürburgring nur Schaden anrichten. Wir haben weiterhin dafür plädiert, dass die Rennstrecken in die Hände eines Käufers gehören, der gemeinwohlorientiert arbeitet, wenn das Land Rheinland-Pfalz keine Möglichkeit des Verbleibs im Landeseigentum sieht. Der Verbleib in Landeshand oder eine Lösung mit öffentlich-rechtlicher Beteiligung ist weiterhin für den Verein immer noch die zu bevorzugende Lösung.

Der Verein „Ja zum Nürburgring“ hat stets und über lange Jahre hinweg eine kritische, aber konstruktive Haltung zu den Vorgängen am Nürburgring eingenommen. Das wird sich auch jetzt nicht ändern. An jeder konstruktiven Lösung wird der Verein mitwirken und sich dafür einsetzen.

Als dann unter eher dubiosen Umständen der Zuschlag an Capricorn erfolgte, gab es eine klare Stellungnahme des Vereins:

  1. Der Verkaufsprozess ist nicht transparent und diskriminierungsfrei abgelaufen. Er unterbricht auch nicht die wirtschaftliche Kontinuität am Ring, wie es von der EU gefordert wurde. Der wettbewerbswidrige Zustand am Nürburgring wurde nicht beseitigt. Einen bestehenden wettbewerbswidrigen Zustand beseitigt man nicht dadurch, dass man einen Vermögensgegenstand von der öffentlichen Hand in die private Hand überträgt.
    Deshalb hat der Verein seine Beschwerde bei der EU weiterverfolgt und kritisiert auch heute die zwischenzeitlich getroffene Entscheidung, da sie sich in der Hauptsache auf Aussagen des Sachwalters stützte, die nach den jüngsten Ereignissen immer stärker in Frage zu stellen sind.
  2. Capricorn hat sich an dem Verfahren beteiligt und den Zuschlag erhalten. Der Verein wird kritisch beobachten, was von den vielfältigen Plänen und Visionen umgesetzt werden wird.

Nun ist klar, dass es keinen 25 Millionen-Business Cluster geben wird. Die Aussage, man werde 25 Mio. € investieren, war nur eine Sprechblase für die Bevölkerung und  hatte noch nicht mal die Bedeutung einer Absichtserklärung und eine Lebensdauer, die kürzer war als die eines Rennreifens auf der Nordschleife. Es wird auch kein ring°racer abgebaut oder das Eifeldorf abgerissen. Die CNG hat versucht, massive Preiserhöhungen bei den Veranstaltern des Motorsports durchzusetzen, bisher ohne Erfolg. Sie hat es auch geschafft, Rock am Ring zu vergraulen. In vielerlei Hinsicht sollte mittlerweile jeder mitbekommen haben, dass dieser neue Eigentümer keine gute Perspektive für den Nürburgring darstellt.

Diese Erkenntnisse sind nicht aus einem Widerstand um des Widerstands willen gereift, sondern einfach nur die Summe der Fakten der vergangenen Monate.  Diese waren für jeden leicht erkennbar, der die Augen nicht vollständig verschlossen gehalten hat, oder aus opportunistischen Gründen meinte verschließen zu müssen.

Nun drohen verschiedene Szenarien, von denen eines schlimmer als das andere ist. Kommt der vollständige finanzielle Einbruch des Käufers? Oder wird der Ring zum Spielball von Heuschrecken, die über Klagen bei der EU ihre Ansprüche hart durchsetzen wollen?

Genau aus diesem Grund muss der Verein auch eine Klage bei der EU einreichen. Der Verein ist die einzige Partei in diesem juristischen Gerangel, der es nicht auf einen eigenen Vorteil ankommt, sondern nur auf die Belange des Motorsports und der Region. Darüber sollten sich Motorsportler und auch die Vertreter der Region einmal ernsthafte Gedanken machen.

Gibt der Verein „Ja zum Nürburgring“ seine Bemühungen auf, ist niemand mehr beteiligt, der sich für Motorsport und Region einsetzt. Dann ist der Ring den Finanzjongleuren hilflos ausgeliefert. Und, lieber Herr Verbandsbürgermeister Nisius: Wenn sich der Verein und sein Vorstandvorsitzender Otto Flimm in der Vergangenheit neutral verhalten hätte, dann gäbe es heute gar keinen Nürburgring mehr, worunter die Verbandsgemeinde Adenau und die Bürger der Region sicherlich noch am meisten zu leiden gehabt hätten. Wenn sich alle in der Vergangenheit, und auch gegenwärtig, so um den Nürburgring bemüht hätten und bemühen würden wie das dieser Verein getan hat und tut, dann hätten wir die gegenwärtige unbeschreibliche Situation nicht.

 

Die Ziele des Vereins

Unsere Absicht ist es nie gewesen, uns mit Capricorn auseinanderzusetzen. Auch die Einflussnahme auf die politischen Verhältnisse in Mainz gehört nicht zu unseren Zielsetzungen. Unsere Sorge gilt einzig dem Nürburgring und seinem langfristigen Fortbestehen in bewährter Form.

Den Verkauf an Capricorn betrachten wir als gescheitert. Sollten sich wider Erwarten doch noch In-vestoren finden, die gutes Geld in diese juristisch völlig unübersehbare Situation werfen wollen, so stellen die angekündigten Klagen von H.I.G. und Nexovation Hindernisse dar, die jedes Investment auf Jahre hinaus unkalkulierbar erscheinen lassen.

Jetzt ist der Mut zu einem Neuanfang gefragt. Eine Neuausschreibung des Verkaufsverfahrens eröffnet neue Möglichkeiten. Es ist mehr als überfällig, alle möglichen Lösungen intensiv zu betrachten. Es gilt, schnell einen Konsens herbeizuführen, der in Übereinstimmung mit Insolvenz- und EU-Recht die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt und gleichzeitig die seit langem geforderte Perspektive für den Nürburgring schafft.

Der Verein „Ja zum Nürburgring“ steht nach wie vor zu Gesprächen bereit.

PS: Lieber Herr Nisius,
vielleicht ist Ihnen die Handlungsweise des Vereins jetzt klarer geworden. Auf jeden Fall sollten Sie sich aber beeilen, wenn Sie Capricorn die Hand reichen wollen. Sonst ist da vielleicht bald nichts mehr zum Handreichen.

 

 

Pressekontakt:
Verein "Ja zum Nürburgring", Kontakt: Dieter Weidenbrück, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!