Die Europäische Kommission (KOM) hat ihren Beschluss im Beihilfeverfahren des Nürburgrings am 16.04.2015 veröffentlicht. Zum leichteren Verständnis der recht komplizierten rechtlichen Situation möchten wir einige Anmerkungen zu der Veröffentlichung machen.

 

In Kürze:

Die Veröffentlichung der Entscheidung vom 1.10.2014 stellt keine neue oder andere Entscheidung der KOM dar. Es wird lediglich veröffentlicht, was unter der Führung von Joaquin Almunia letztes Jahr entschieden worden war und seitdem Rechtskraft für Deutschland besitzt.

Wichtig ist, dass nun die Klagefristen laufen. Unterlegene Bieter und Beschwerdeführer haben nun die Möglichkeit, innerhalb von zwei Monaten beim Europäischen Gericht Klage einzureichen, um ihren Argumenten gegen den Verkauf Gehör zu verschaffen.

Erst nach Ablauf der Klagefrist wird zu erkennen sein, ob und wer tatsächlich Klage einreicht. Der Verein „Ja zum Nürburgring“ wird sich in Kürze zu diesem Thema äußern.


Status der Entscheidung

Die KOM hat am 1.10.2014 im Beihilfeverfahren entschieden. Seit diesem Datum ist der Beschluss für Deutschland und damit für den Nürburgring verbindlich. Die Tatsache, dass Rechtsmittel gegen diese Entscheidung eingelegt werden können, ändert nichts daran, dass Deutschland auf den Beschluss reagieren muss.

Das nun veröffentlichte Schreiben an Deutschland enthält exakt den Beschluss, wie er seit Anfang Oktober bekannt ist. Sachliche Änderungen wurden keine vorgenommen, das ist auch gar nicht möglich. Es wurden vertrauliche Passagen herausgenommen und durch […] ersetzt, um Rechte beteiligter Parteien zu schützen. Damit stellt dieses Schreiben keine erneute oder überarbeitete Entscheidung dar, sondern ist nur die Veröffentlichung der Entscheidung, die am 1.10.2014 getroffen wurde.

Dieses Schreiben bildet nun die offizielle Grundlage, auf die sich Klagen beziehen können.

Status der nach dem 1.10.2014 eingereichten Beschwerden

Im Dezember und Anfang des Jahres 2015 wurden mehrere Beschwerden in Brüssel eingereicht, die sich gegen die Prüfmethodik der KOM richteten und dabei klarstellten, dass die KOM auf Basis falscher und unvollständiger Information entschieden hatte. Diese Beschwerden waren mit einem Antrag auf Widerruf der KOM-Entscheidung vom 1.10.2014 verbunden.

Zu diesen Beschwerden hat es bisher noch keine offizielle Stellungnahme gegeben, nur einigen Schriftverkehr und Gespräche in Brüssel.

Rechtsmittel gegen die Entscheidung der KOM

Gegen einen KOM-Beschluss können erst Rechtsmittel eingelegt werden, nachdem er veröffentlicht worden ist. Das ist jetzt am 16.4.2015 erfolgt. Es gibt zwar für die Beschwerdeführer noch die Frage, ab welchem Tag exakt der Beschluss als offiziell zugestellt gilt, aber das ist für die weitere Betrachtung ein unwichtiges Detail. Ab jetzt läuft die Klagefrist, d.h. die Frist, innerhalb derer berechtigte Parteien eine Klage beim Europäischen Gericht einreichen können. Die Klagefrist beträgt 2 Monate plus 10 Tage Postlaufzeit.

Überlappung von Beschwerden und Klagen

Während jetzt noch die Beschwerden mit Anträgen auf Widerruf gesichtet werden, läuft gleichzeitig die Klagefrist. Der Ausgang der Beschwerden kann also nicht abgewartet werden, da sonst die Klagefrist abläuft. Es muss also auf jeden Fall geklagt werden.

Die möglichen Szenarien

Mit der Veröffentlichung der Entscheidung der KOM hat sich die Situation in der Sache nicht verändert. Es ist keine neue Entscheidung gefallen, der rechtliche Status hat sich nicht geändert. Es sind nun zwei Szenarien denkbar:

  1. Es wird keine Klage beim EuG eingereicht
    In diesem Fall wird der Beschluss vom 1.10.2014 nach Ablauf der Klagefrist rechtskräftig. Theoretisch wäre es noch denkbar, dass dem Antrag auf Widerruf stattgegeben wird, davon kann man aber in der Praxis nicht ausgehen, da die KOM bisher nicht bereit war, ein neues Prüfverfahren zu eröffnen. Kommt keine Klage, dann gibt es keinen wichtigen Grund für die KOM mehr, die Entscheidung zu widerrufen.
  2. Eine oder mehrere Parteien klagen
    Kläger müssen ihre Klage innerhalb der Klagefrist von 2 Monaten einreichen. Dann beginnt ein Verfahren vor dem Europäischen Gericht (EuG), dessen Dauer grob mit zwei bis drei Jahren abgeschätzt werden kann.
    Gründe für eine Klage sind mehr als ausreichend gegeben. Ob eine Klage Erfolg hat, kann sich erst – wie bei jedem Gerichtsverfahren – nach dem Gerichtsentscheid zeigen. Gegen das Urteil ist Berufung zugelassen beim Europäischen Gerichtshof.
    Die Klage(n) führen dazu, dass kein Eigentumsübergang am Nürburgring stattfinden kann. Der Nürburgring bleibt weiterhin in einer Art Wartestellung in Händen eines Treuhänders. Erst nach dem Urteil des EuG, bzw. nach dem des EuGH bei einer nachfolgenden Revision, gibt es Rechtssicherheit, die die Voraussetzung für den Eigentumsübergang ist.

Nach derzeitigem Stand gehen wir davon aus, dass mindestens eine Klage eingereicht werden wird, möglicherweise mehrere.

Mögliche Kläger

Es ist derzeit nicht bekannt, wer tatsächlich klagen wird. Als Kläger kommen in Frage:

  • Meyrick Cox/H.I.G.
  • Nexovation
  • der ADAC in München, und 
  • der Verein „Ja zum Nürburgring“.

Es wird sich spätestens mit Ablauf der Klagefrist zeigen, wer tatsächlich Klage eingereicht haben wird.

Status des Kaufvertrags

Der Kaufvertrag ist seit dem Tag der Unterzeichnung ein gültiger Vertrag. Im Sinne dieses Vertragsverhältnisses befinden wir uns nun im Stadium vor dem sogenannten „Closing“, d.h. der Vertrag ist unterzeichnet, einige Dinge inkl. Zahlungen sind schon passiert, jetzt wartet man auf die Rechtssicherheit bei der EU, um dann den Rest des Kaufpreises zu zahlen und danach den Eigentumsübergang zu vollziehen.

Der Kaufvertrag kann theoretisch noch von einer der Parteien angegriffen werden, danach sieht es derzeit aber nicht aus. Der Kaufvertrag muss weder vom Gläubigerausschuss genehmigt werden (der hat das schon gemacht), noch vom Insolvenzgericht, noch von der EU (die hat das auch schon gemacht).

Der Nürburgring ist jetzt in Händen eines Treuhänders, der das Eigentum hält, bis der Kaufpreis gezahlt ist. Die Käufergesellschaft könnte das jederzeit tun, würde damit aber das Risiko übernehmen, dass in Brüssel geklagt und gegen den Kaufvertrag entschieden wird. Dann wäre sie für die Rückzahlung der Beihilfen verantwortlich. Deshalb ist zu erwarten, dass die CNBG abwarten wird, bis die Rechtslage geklärt ist. Erst danach und natürlich nach Zahlung des restlichen Kaufpreises kann sie den Nürburgring als Eigentum übernehmen.

Was kann die Landesregierung in der Sache noch tun?

Gar nichts, außer sie meldet sich freiwillig in Brüssel und vertritt dort mit aller Macht die Position, dass ihre Angaben der KOM gegenüber falsch waren. Die Wahrscheinlichkeit dieser Aktion darf sich jeder selbst ausrechnen.

Die Aufgabe von „Ja zum Nürburgring“

Der Verein „Ja zum Nürburgring“ wird weiterhin das tun, was wir schon seit längerem machen: wir beobachten sehr genau, was passiert, und unternehmen die bestmöglichen Schritte im Sinne des Nürburgrings. Nun steht offensichtlich die Entscheidung über eine Klage unmittelbar an. Dazu wird der Verein in den kommenden Tagen Stellung nehmen.

Ausblick auf die kommenden Tage

Man darf davon ausgehen, dass die Insolvenzverwalter die Veröffentlichung des Beschlusses als großen Erfolg und Bestätigung ihrer Position feiern werden. Tatsächlich hat sich aber seit Oktober in der Sache nichts geändert. Neu ist lediglich, dass nun die Klagefrist beginnt. Die Chance, die Entscheidung der KOM ohne Gerichtsverfahren durch einfachen Widerruf zu korrigieren, ist damit vertan. Das wird nun mit Hilfe des Europäischen Gerichts erfolgen müssen.

 

Pressekontakt:
Verein "Ja zum Nürburgring", Kontakt: Dieter Weidenbrück, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!