Bei der Veranstaltung am 30.04.2014 wies die Ministerpräsidentin Malu Dreyer auf die anhängenden Entscheidungen der EU-Kommission im Beihilfeverfahren hin. Zu erwarten ist eine gleichzeitige Entscheidung in drei Punkten:

  1. die Feststellung, dass unrechtmäßig Beihilfen geflossen sind,
  2. die Feststellung, in welcher Höhe dies der Fall war, und
  3. die Feststellung, ob mit dem Verkauf die Wettbewerbsverzerrung beseitigt wurde.

Die vier eingereichten Beschwerden wurden explizit genannt, und auch die Tatsache, dass die EU-Kommission nunmehr im Detail diese Beschwerden durcharbeiten wird.

Um es vorwegzunehmen: niemand zweifelt daran, dass die EU-Kommission feststellen wird, dass unrechtmäßige Beihilfen an den Ring geflossen sind, und zwar in beträchtlicher Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro. Bei der jetzt anstehenden Entscheidung zu 3. geht es also nur darum, ob die EU feststellt, dass mit dem Verkauf die eingetretene Wettbewerbsverzerrung auf korrekte Weise beseitigt wurde. Ist dies nicht der Fall, dann erbt der Käufer die Rückzahlungsforderung für die Beihilfen.

Ich möchte jetzt hier nicht auf die Details der vier Beschwerden eingehen, die gegen den Verkauf bei der EU eingereicht wurden, das wird noch ein separates Thema werden. Fakt ist aber, dass Kritik an vielen wesentlichen Aspekten des Verkaufs geäußert wird:

  • am Verkaufsprozess insgesamt
  • am Gesamtverkauf an einen einzelnen Käufer
  • an den Vorgängen rund um den Zuschlag an capricorn
  • an einer ganzen Reihe von wichtigen formalen Details.

Hinzu kommt aktuell die Klageandrohung vor einem deutschen Gericht durch die Anwälte der Nexovation, die dort den Kaufvertrag für nichtig erklären lassen wollen.

Das ist starker Tobak, der soviel Dampf produziert, dass es kaum möglich ist, den Ausgang vorherzusagen. Die Vorwürfe sind massiv und gut begründet. Sie müssen jeweils als unbegründet abgewiesen werden, damit der Verkauf Gültigkeit behält. Mir fehlt die Erfahrung mit der EU, um beurteilen zu können, ob dies bei der Masse der einzelnen Beanstandungen so ohne weiteres möglich ist. Mein Eindruck ist aber, dass sich die EU-Kommission – wie auch von Frau Dreyer bestätigt – Mühe geben wird mit ihrer Begründung, wie auch immer sie ausfällt. Eine schlecht begründete Ablehnung aller Beschwerden würde unmittelbar zur Klage gegen die Entscheidung der EU-Kommission führen.

Und damit steht die derzeitige Verkaufssituation auf recht wackligen Beinen. Bisher wird nur darüber gesprochen, wie alles ablaufen soll, wenn die EU den Verkauf abnickt:

Zahlung der drei Raten à 5 Mio € in 2014, Zahlung der 45 Mio € nach EU-Entscheidung am Ende 2014, Eigentumsübergang Anfang 2015.

Wie sieht es aber aus, wenn die Dinge nicht so laufen?

1. Mögliche Zeitverzögerungen

- Die EU entscheidet nicht mehr vor der Amtsübergabe an die bei der Europawahl im Mai neu gewählten Vertreter. Die neuen Vertreter müssen sich neu einarbeiten.
- Nexovation klagt vor einem deutschen Gericht und zögert dadurch Entscheidungen und Rechtssicherheit weit über Ende 2014 hinaus
In diesen Fällen gibt es keine Rechtssicherheit für capricorn, und sie wären dumm, wenn sie dann den Kaufpreis bezahlen und ab da das Risiko allein tragen würden.

2. Negative EU-Entscheidung

- Die EU entscheidet, dass der Verkaufsprozess nicht EU-konform abgelaufen ist, oder
- Die EU entscheidet, dass der Gesamtkomplex aufgeteilt und separat zu verkaufen ist.
Hier greift dann wohl das Rücktrittsrecht für capricorn.

3. Positive EU-Entscheidung mit nachfolgender Klage

- die EU-Kommission entscheidet, dass alles rechtens war. Das wird nicht akzeptiert, und es reicht jemand Klage beim EuGH ein.
In diesem Fall ist das zeitliche und rechtliche Ende nicht absehbar. Der Kaufvertrag sieht wohl eine Konstruktion vor, um sich gegen diesen Fall zu schützen, aber das Risiko bliebe bei capricorn.

 

Es gibt also viele mögliche Situationen, die sich in den nächsten Monaten ergeben können. Die Landesregierung verfolgt anscheinend nur den glatten Weg und bereitet sich nicht auf einen der anderen Fälle vor.

Die Frage ist nun, welche dieser Situationen wohl eintreten wird. Tritt einer der oben geschilderten Fälle ein, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass die derzeitige Situation keinen Bestand haben kann.

Angesichts der massiv vorgetragenen Beschwerden fällt es mir schwer, an ein glattes Durchwinken bei der EU zu glauben. Vergleichbare Fälle haben gezeigt, dass die EU ihr Eigenleben hat und sich kaum von einer Landesregierung unter Druck setzen lässt. Aus diesem Grund bin ich sehr skeptisch, was den Fortbestand der jetzigen Käufersituation angeht. Und dabei bin ich mir bewusst, dass es US-Investoren sind, die hier einschreiten, die niemand am Ring haben will.

Man muss akzeptieren, dass der Bestand des jetzigen Kaufvertrags nicht davon abhängt, ob die Menschen in der Region oder im Motorsport capricorn „eine Chance geben“ wollen. Vielmehr wird man sich vielleicht bald die Frage stellen müssen, ob ein Einschreiten notwendig sein könnte, um einen Erfolg eines unbekannten US-Investors zu verhindern.

Es wird jetzt um jahrelange Rechtsstreitigkeiten gehen, zum Schaden des Nürburgrings.



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