Nürburg, 10. Dezember 2014 – Laut Entscheidung der Europäischen Kommission vom 1. Oktober 2014 soll der Verkauf des Nürburgrings EU-konform abgelaufen sein. Damit muss der Käufer, die capricorn NÜRBURGRING Besitzgesellschaft mbH, keine Beihilfen zurückzahlen. Die nach dem Verkauf am 11. März 2014 bekannt gewordenen Umstände belegen jedoch, dass der zuständige Sachwalter und der Sanierungsgeschäftsführer sowie die deutschen Behörden die EU-Kommission unrichtig informiert haben. Die Kommission musste also ihre Entscheidung auf der Basis falscher Annahmen treffen. Hätte die Kommission Kenntnis von entscheidenden Fakten gehabt, wäre die Entscheidung wohl anders ausgefallen.

Daher fordert der Verein „Ja zum Nürburgring“ den

Widerruf der Entscheidung vom 1. Oktober 2014
durch die Europäische Kommission.

„Die Landesregierung hat uns seinerzeit erzählt, man habe mit Capricorn einen regionalen Automobilzulieferer mit großen Plänen und schlüssigem Konzept als Käufer gefunden“, so Otto Flimm, der Vorsitzende des Vereins „Ja zum Nürburgring“. „Wir hatten uns entschieden, die vollmundigen Versprechen aller Beteiligten an den Taten zu messen, doch der Käufer stolperte schon bei der Zahlung der zweiten Kaufpreisrate.“ Mittlerweile sind Robertino Wild und seine Capricorn Holding sogar vollständig ausgeschieden und ihre Anteile wurden an eine NR-Holding AG unter russischer Federführung weiterverkauft.

„Damit ist ein weiterer Versuch der Landesregierung gescheitert, den Nürburgring in private Hände zu geben“, kritisiert Flimm. „Ob es erst private Investoren, dann Pächter, dann Käufer und nun wieder Pächter waren, für den Nürburgring ging es immer nur weiter bergab. Wir haben es jetzt satt, uns weiter an der Nase herumführen zu lassen.“ Das Verkaufsverfahren lief rechtswidrig und intransparent ab. Deshalb verwundert es nicht, dass zusätzlich zu den vier massiven Beschwerden während des Beihilfeverfahrens nun weitere drei nicht minder inhaltsschwere Beschwerden eingereicht wurden aufgrund unrichtiger Informationen, auf denen die Entscheidung der Kommission beruht.

„Die Kommission ist nach unserer Prüfung unzutreffend über die Umstände des Ausbleibens der zweiten Kaufpreisrate und die unzureichende Fremdfinanzierung informiert worden. Ein Rücktritt vom Kaufvertrag im Sommer wäre unseres Erachtens die richtige Schlussfolgerung gewesen.“, fasst der Rechtsanwalt des Vereins Dr. Dieter Frey, Partner der Kölner Sozietät FREY Rechtsanwälte Partnerschaft, zusammen. „Statt einem Neuaufsetzen des Bietverfahrens nach den Regeln des Europarechts wurde in einem intransparenten Verfahren der Mehrheitsgesellschafter des Käufers ausgetauscht.“ Nun soll die EU-Kommission diese neu aufgedeckten Fakten prüfen.

„Die Landesregierung und die Insolvenzverwalter tragen die Verantwortung dafür, dass die Zukunft des Nürburgrings noch auf Jahre hinaus unsicher sein wird“ bedauert Otto Flimm. „Wir werden alles dafür tun, dass die Rennstrecken einer langfristigen guten und stabilen Lösung zugeführt werden.“

 

Über den Verein „Ja zum Nürburgring“: Der gemeinnützige Verein „Ja zum Nürburgring“ engagiert sich seit vielen Jahren für den Erhalt und die Pflege der Rennstrecke des Nürburgrings für den Motorsport. Er wurde 1981 gegründet und war federführend für den Neubau der Kurzstrecke sowie den Erhalt der Nordschleife; beide Teile der Rennstrecke konnten schuldenfrei in Betrieb gehen. Es ist seitdem seine zentrale Aufgabe, die traditionsreiche Sportstätte in der Eifel zu erhalten, zu pflegen und sie so für Motorsport-Veranstaltungen, insbesondere im Bereich des Breitensports, attraktiv zu halten. Mehr über den Verein erfahren sie unter www.ja-zum-nuerburgring.de.


Pressekontakt:
Dieter Weidenbrück
„Ja zum Nürburgring“ e.V.
Kölnstraße 221-225
50321 Brühl
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Hintergrundinformationen:

Die Beschwerde des Vereins

Es ist unsere Auffassung, dass die Europäische Kommission durch die Insolvenzverwalter und die Landesregierung nur unrichtig über ausschlaggebende Fakten informiert wurde. So musste die Kommission ihre Entscheidung auf eine unzutreffende Grundlage stützen, die zu dem bekannten Ergebnis am 1. Oktober 2014 geführt hat. Nach Aufdeckung einer Vielzahl von Details hat die Kommission nun die Möglichkeit, gemäß Art 9 der Beihilfenverfahrungsordnung ihre Entscheidung zu überdenken und zu korrigieren. Die jetzt entstandene Rechtssituation kann nur dadurch geheilt werden, dass das Verfahren völlig neu aufgesetzt wird. Sollte die Europäische Kommission ihre Entscheidung nicht korrigieren, so ist unzweifelhaft davon auszugehen, dass die Kritikpunkte der Beschwerden vor den Europäischen Gerichten vorgetragen werden.

Mangelhafte Transaktionssicherheit

Die Zahlungsfähigkeit war bereits eine Bedingung für alle Bieter, um Zugang zum Datenraum zu erhalten. Ziel war es, die Transaktionssicherheit darzustellen, die ein entscheidendes Kriterium bei der Vergabe war. Nach Lage der Informationen hat diese Transaktionssicherheit bei dem Käufergespann Capricorn/Getspeed aber nie bestanden. Weder war das Kapital für die drei Kaufpreisraten à 5 Millionen € in 2014 gesichert, noch die Closing-Rate von 45 Millionen €. Legt man die Begründung des Beschlusses der Kommission zugrunde, wurde nach Brüssel dagegen immer kommuniziert, dass trotz des Zahlungsverzugs keine Probleme bestünden.

Weiterführung des Verkaufsprozesses

Das Käufergespann hatte seine Pflichten aus dem Kaufvertrag bereits verletzt, als es die zweite Rate nicht zahlte. Der Öffentlichkeit wurde ein Bild des gegenseitigen Einverständnisses aufgezeigt, dass es ja sinnlos sei, das Geld auf einem Sperrkonto zu parken, wo es nur „verschimmeln“ würde. Tatsächlich wurden aber gleichzeitig Robertino Wild und die Käufergesellschaft in Sicherungs- und Stundungsvereinbarungen völlig entmachtet. Die Insolvenzverwalter zogen den Verkaufsprozess allem Anschein nach wieder an sich, um dann gezielt nach Ersatz für Capricorn/Wild zu suchen. Dies alles geschah lange vor der Entscheidung der EU-Kommission, die den unmittelbar bevorstehenden Ausfall von Capricorn/Wild in der Entscheidung in keiner Weise ansprach. Der Verkauf der Mehrheit der Geschäftsanteile an der Käufergesellschaft an die NR-Holding AG erfolgte in einem geheim gehaltenen Verfahren, welches zu keinem Zeitpunkt die EU-rechtlichen Anforderungen an eine transparente, bedingungs- und diskriminierungsfreie Veräußerung darstellte.

Mangelhafte Transparenz und Diskriminierungsfreiheit im Auswahlverfahren

Das Monate dauernde, EU-weite Bietverfahren lief in mehreren Stufen ab. Dabei gab es Bedingungen, die Interessenten zum Erreichen der nächsten Stufe erfüllen mussten. Aus der Beschlussvorlage der EU-Kommission ergibt sich nun, dass es Auswahlkriterien gab, die den Bietern unbekannt waren. Sie führten dazu, dass Bieter, die z.B. nur Interesse an der Rennstrecke zeigten, von vornherein keine Chance hatten, im Verfahren zu bleiben. Nach Abgabe der indikativen Angebote wurden alle Bieter ausgesondert, deren Angebot weniger als 25% des höchsten Gebots aller Bieter betrug. Dieses Ausschlusskriterium haben die Insolvenzverwalter zwar gegenüber der EU dokumentiert, aber den Bietern nie zur Kenntnis gebracht. Hätten einzelne Bieter diese Hürde gekannt, und hätten sie gewusst, dass die Transaktionssicherheit in diesem frühen Verfahrensstadium gar nicht geprüft würde, wäre es ein Leichtes gewesen, mit einem höheren unverbindlichen Angebot die weitere Teilnahme sicherzustellen.
Schwerer noch wiegt die Tatsache, dass einerseits Phantasieangebote wie das von La Tene mit 275 Mio € ausreichten, um einen Zugang zum Datenraum zu erhalten, während andererseits ernsthafte Angebote wie das des ADAC auf die Rennstrecke keinerlei Chance hatten, da die Messlatte bei 25% des Höchstgebotes lag. Aus heutiger Sicht ist klar zu erkennen, dass das Angebot des ADAC, kombiniert mit einem gleichfalls zurückgewiesenen Angebot auf die Hotelkapazitäten durchaus im Bereich des realisierten Kaufpreises lag. Somit bleibt festzustellen, dass Bieter auf einzelne Cluster diskriminiert wurden, weil das Verfahren keine realistische Vergleichsmöglichkeit zwischen Gesamtangeboten und Einzelangeboten vorsah. Darüber hinaus mangelte es an der Transparenz, die den Bietern Möglichkeiten gegeben hätte, im Verfahren zu verbleiben.


Die Zielsetzung des Vereins

Der Verein „Ja zum Nürburgring“ ist der Überzeugung, dass die bisherigen Versuche der Landesregierung Rheinland-Pfalz, den Nürburgring in private Hände zu geben, katastrophal gescheitert sind. Als vorläufig letzter Akt ist der Ausfall des motorsport-affinen Mittelständlers aus der Region zu nennen, der nun durch einen Finanzinvestor ersetzt wurde, mithin einen Käufertypus, den niemand jemals haben wollte, und der von der Landesregierung kategorisch ausgeschlossen worden war.

Die Zukunft der Nürburgrings darf nicht den Einzelinteressen eines Privatinvestors überlassen werden, der ohne Rücksicht schalten und walten darf. Das oft in diesem Zusammenhang angeführte Nürburgring-Gesetz hilft dabei nicht, wie die Ereignisse des Jahres 2014 mit dem Verlust von Rock am Ring und den Schwierigkeiten der Veranstalter beim Abschluss von sinnvollen Verträgen zeigen.

Die Rennstrecke Nürburgring muss dem Gemeinwohl dienen. Sie wurde als Strukturförderungsmaßnahme gebaut, und diese Rolle ist unabdingbar für die Zukunft der Region. Der Verein „Ja zum Nürburgring“ setzt sich nach wie vor dafür ein, dass der Nürburgring in Landeshand verbleibt, bzw. als Auffanglösung für eine Stiftung mit öffentlich/rechtlicher Beteiligung. Diese wird von wichtigen deutschen Unternehmen und Veranstaltern als beste Lösung betrachtet.

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