Die jetzt aufgetauchte sogenannte „Finanzierungszusage“ der Deutschen Bank an capricorn setzt ein deutliches Zeichen in der Betrachtung des Verkaufs an capricorn. Eine erste Konsequenz dieses Auftauchens ist die Strafanzeige des unterlegenen Bieters Nexovation gegen Sachwalter Lieser und Insolvenzgeschäftsführer Schmidt. Fast ist man geneigt, die KPMG dabei zu vermissen.

Wir haben uns dieses Schreiben der Deutschen Bank genau angeschaut und möchten nachfolgend erläutern, worin die Probleme bestehen.

Transaktionssicherheit

Im Verkaufsverfahren war die Transaktionssicherheit zentrales Kriterium. Damit ist gemeint, dass die Bieter passend zur jeweiligen Stufe des Bietverfahrens nachweisen mussten, dass sie auch in der Lage wären, den Verkauf zu stemmen. Auf diese Weise wurde z.B. der Zugang zum Datenraum geregelt. Allerdings reichte da schon ein Phantasieangebot über 275 Mio € der Hongkonger Briefkastenfirma La Tene aus, um schillernden Geschäftsleuten den Zugang zum Datenraum zu ermöglichen.

In der Zuschlagsphase wurde es dann ernst. Der Käufer musste natürlich eine stabile Finanzierung darstellen, bevor er den Zuschlag bekommen konnte. Verschiedene Bieter wurden ausgeschlossen, weil eine sichere Finanzierungszusage zum Zeitpunkt des Zuschlags am 11. März 2014 nicht vorgelegen habe, darunter Nexovation. Da also der Nachweis der Finanzierung ein zentraler Entscheidungspunkt in der Auswahl des Käufers war, kommt der Bewertung des Nachweises gerade bei capricorn eine ganz besondere Bedeutung zu.

Die Finanzierung von capricorn

Schauen wir uns die einzelnen Kaufpreiskomponenten an:

  • Drei Raten zu je fünf Millionen Euro als Eigenkapital
    Bereits die zweite Rate Ende Juli konnte nicht gezahlt werden. Ganz offensichtlich bestand also keine Transaktionssicherheit beim Eigenkapital. Eine Prüfung des Vorhandenseins des Eigenkapitals hatte man offensichtlich gleich mal in sträflicher Weise unterlassen.
  • Sechs Millionen Euro als pauschales Jahresergebnis sowie elf Millionen Euro in Raten
    Zusätzlich zu dem tatsächlich zu zahlenden Betrag von insgesamt 60 Millionen Euro wurden noch weitere 17 Millionen Euro benötigt, um auf den Kaufpreis von 77 Millionen Euro zu kommen. Dieser Wert war eminent wichtig, da er in einem Gutachten als Marktwert für die gesamte Anlage ausgewiesen war. Die 77 Mio. Euro mussten also auf jeden Fall erreicht werden, um die Zustimmung der EU zum Verkauf zu bekommen.
    Tatsächlich aber kann man sagen, dass die sechs Millionen des Ergebnisses (nicht EBITDA, sondern tatsächlicher Gewinn nach Steuern, Abschreibung, Zinsen!) völlig unrealistisch sind. Dieser „Kaufpreisanteil“ unterlag zudem vollständig dem wirtschaftlichen Risiko des Verkäufers.
    Die restlichen elf Millionen Euro werden dann aus dem laufenden Geschäft gezahlt. Also hätte man diese Möglichkeit auch bei jedem anderen Angebot ansetzen müssen, und damit wäre z.B. ein kombiniertes Angebot des ADAC und einer Hotelkette in den gleichen Bereich wie das von capricorn gekommen.
    Ein Nachweis oder eine Sicherheit für diese Summen von insgesamt 17 Millionen Euro wurde von capricorn natürlich nicht erbracht.
  • 45 Millionen Euro als Closing-Rate
    Wie bekannt war zum Zeitpunkt des Zuschlags die Situation bei der EU noch völlig offen. Selbst heute gibt es noch Streit um den Beschluss der EU vom 1. Oktober 2014, der seine Rechtskraft noch nicht erlangt hat. Erst diese Rechtskraft löst die Zahlung der Closing-Rate aus, also die abschließende Kaufpreiszahlung. Es handelt sich also um den größten Brocken des Kaufpreises, der abzusichern war.

Zur Absicherung des Risikos führen die Insolvenzverwalter gerne die Summe von 25 Millionen Euro auf, die im Falle einer Vertragsverletzung fällig gewesen wären. Da kommen dann die drittrangigen Grundschulden und die doppelt verpfändete Kunstsammlung von Robertino Wild ins Spiel. Auch diese Summe stand recht ungesichert im Raum.

Die WirtschaftsWoche schreibt in einem Artikel vom 14. März 2015:

Dieser Hinweis hält fest, das Papier sei „ausschließlich zu Diskussionszwecken und nicht dazu gedacht, rechtlich verbindliche Verpflichtungen zwischen uns zu begründen“. Die „Important Notice“ im Englischen Original: „This term sheet is for discussion purposes only and is not intended to create any legally binding obligations between us.“ Da ist es fast schon müßig, dass die Deutsche Bank ein paar Zeilen weiter unten auch noch klar stellt, „keinerlei Haftung für jegliche direkten, [indirekt] folgenden oder sonstigen Verluste zu akzeptieren, die aus dem Vertrauen auf das Dokument resultieren.“ (WiWo [2])


Klarer kann man kaum darstellen, dass es sich bestenfalls um eine Vorabversion eines Finanzierungsangebots handelte, aber auf keinen Fall um eine bindende Finanzierungszusage.

Betrachten wir nun, wie diese „Finanzierungszusage“ von den Insolvenzverwaltern und ihren Beratern dargestellt wurden. Von entscheidender Bedeutung war die Darstellung gegenüber dem Gläubigerausschuss:

Der Knackpunkt ist die Fremdkapital-Rate von 45 Millionen Euro. Zu diesem, dem größten Bestandteil des Capricorn-Angebots wurde den Mitgliedern des Nürburgring-Gläubigerausschusses in der für den Zuschlag entscheidenden Sitzung am 11. März vergangenen Jahres laut Protokoll mitgeteilt: „Die Finanzierungsbestätigung der Deutschen Bank AG ist banküblich und valide.“ (WiWo [2])


Diese Darstellung war die Voraussetzung dafür, dass der Gläubigerausschuss sich für capricorn entscheiden konnte. Nach der Lage der Dinge muss man davon ausgehen, dass der Gläubigerausschuss falsch informiert wurde. Eine Gelegenheit zur sorgfältigen eigenen Prüfung bestand aufgrund des Zeitdrucks nicht.

Welchen Status hatte das DB-Schreiben am Tag des Zuschlags?

Bei jeder Vereinbarung wird eine Gültigkeit erst durch Unterschrift erzielt. Das gilt auch für dieses Angebot der Deutschen Bank, dass man grundsätzlich bereit wäre, eine Finanzierung über 45 Mio Euro zu diskutieren, vorausgesetzt natürlich, dass die vielfältigen Bedingungen dafür erfüllt wären.

Eine Verbindlichkeit hätte entstehen können, wenn beide Dokumente unterschrieben worden wären, das Schreiben der Deutschen Bank und ein endverhandeltes Term Sheet. Die DB schreibt dazu:

This letter shall remain in effect until close of business in London on the earlier of one week from the date of this letter and the date of formal submission of your bid to acquire the Acquired Assets at which time it will expire unless written acceptance of this letter has been received by DB from you in accordance with the instructions set out in such letters.


Somit gab es zwei Bedingungen, unter denen das Schreiben seine Gültigkeit verlor:

  1. Die Abgabe des formalen Angebots
    Das Capricorn-Angebot wurde am 10.03.2014 notariell beglaubigt. Mit diesem Tag verlor das Schreiben der Deutschen Bank somit seine Gültigkeit, sofern es nicht unterzeichnet und zu-rückgeschickt wurde. Nach unseren Informationen ist das Schreiben nicht unterzeichnet an die Deutsche Bank geschickt worden, so dass am 11.03.2014, dem Tag der Unterzeichnung des Kaufvertrags, das Schreiben der Deutschen Bank als gegenstandslos zu betrachten war.
  2. Nach Ablauf einer Woche, also am 17.03.2014
    Aufgrund der notariellen Beglaubigung des Angebots besteht kein Zweifel an selbigem. Doch selbst ohne das Angebot wäre das Schreiben spätestens am 17.03.2014 gegenstandslos geworden, wenn es nicht unterzeichnet zurückgeschickt wurde.

Über die Unterzeichnung des Briefes hinaus wäre noch die Unterzeichnung der Finanzierungsvereinbarung erforderlich gewesen, um die Transaktion abzusichern, dazu heißt es:

Following your acceptance of this letter by return to DB of a counterpart of this letter signed by you, DB's Obligations will terminate on close of business in London on the last day of one month from the date of this letter unless the Financing Documentation is signed on or before that date.


Nach der Unterzeichnung des Schreibens hätte innerhalb eines Monats die Finanzierungsvereinbarung unterzeichnet werden müssen, die aber erst noch zu verhandeln war. Erst dann hätte eine verbindliche Finanzierungsvereinbarung bestanden, wie sie gegenüber dem Gläubigerausschuss, der Öffentlichkeit und der Europäischen Kommission dargestellt wurde.

Es bleibt festzuhalten, dass zum Zeitpunkt des Zuschlags die Beziehung zwischen der Deutschen Bank und Capricorn völlig unverbindlich war. Nach unserem Kenntnisstand bestand am 11.03.2014 aufgrund der Nichtunterzeichnung des Schreibens überhaupt kein Angebot seitens der DB. Die tatsächliche Finanzierungsvereinbarung wurde definitiv nie unterschrieben.

Eine sehr gute Übersicht über die aktuelle Lage zeichnet Florian Zerfass in den Artikeln der Wirtschaftswoche vom 13. März und 14. März 2015.

Und nun?

Kurz gesagt:

  • Der Staatsanwalt wird prüfen, ob sich die Insolvenzverwalter des Betrugs und der Untreue schuldig gemacht haben. Sollte das der Fall sein, werden sie persönlich dafür einstehen müssen.
  • Die Rolle von Alexander Bischoff (KPMG) wird zu prüfen sein. Bisher hat er nicht dargelegt, wie die KPMG das Schreiben der DB geprüft hat, und vor allem, was ihn dazu bewegt hat, die Finanzierung als risikolos darzustellen (siehe WiWo [2])
  • Die Landesregierung wird sich dazu äußern müssen, wie sie mit der Finanzierungspleite umgeht. Schließlich hat sie sich regelmäßig den Äußerungen der Pleite-Profis angeschlossen und sich damit deren Aussagen zu Eigen gemacht.
  • Das Bundesministerium für Wirtschaft wird sich damit auseinandersetzen müssen, dass Deutschland gegenüber der Europäischen Kommission falsche Angaben in der Sache gemacht hat, die zu einer Entscheidung der KOM auf falscher Basis geführt haben.
  • Die Europäische Kommission hat nach dem 1. Oktober 2014 drei heftige Beschwerden mit Antrag auf Widerruf ihrer Entscheidung erhalten. Anfang 2015 folgten weitere umfangreiche Schriftsätze. Nach Auftauchen der „Finanzierungszusage“ folgt nun eine neue Welle von Beschwerden in Richtung Brüssel. Brüssel windet sich hin und her. Die Beweislage ist aber mittlerweile erdrückend.

Ziemlich genau ein Jahr hat es nach der Unterzeichnung des Kaufvertrags gedauert, bis die Indizien sich soweit verdichtet haben, dass man die Vorgänge rund um den Verkauf wirklich bewerten kann. Noch fehlen die Details der Beteiligung der Landesregierung, doch auch hier wird die Zeit helfen, vieles ans Licht zu bringen.

Auf jeden Fall kann man aus heutiger Sicht mit Fug und Recht behaupten, dass der Zuschlag an capricorn nie hätte erfolgen dürfen.

 

 

[1] Artikel der WirtschaftsWoche vom 13.03.2015
[2] Artikel der WirtschaftsWoche vom 14.03.2015


Pressekontakt:
Verein "Ja zum Nürburgring", Kontakt: Dieter Weidenbrück, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!