In der MOTORSPORT aktuell vom 24.2.2015 erschien ein ausführliches Interview mit Carsten Schumacher (CS), Geschäftsführer der Capricorn Nürburgring GmbH (CNG). Das ist die Gesellschaft, die seit kurzem den Betrieb des Nürburgrings gepachtet hat. Sie ist eine Tochtergesellschaft der Capricorn Nürburgring Besitzgesellschaft mbH (CNBG), die den Kaufvertrag für den Nürburgring unterzeichnet hat. Das Interview vermittelt einen klaren Ausblick darauf, in welche Richtung sich die Dinge am Nürburgring entwickeln werden.

Vorab möchte ich sagen, dass ich selbst die Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch mit Schumacher hatte und ihn als seriösen Kaufmann einschätze, der die Sache nachdrücklich anzugehen versucht und unter großem Erfolgszwang steht. Leider gibt es einen Grundkonflikt, der sich aus der Natur der Sache heraus ergibt, und der den Nürburgring von anderen Sanierungsfällen unterscheidet. Bereits beim leichten Drehen an einer Stellschraube muss schon berücksichtigt und beobachtet werden, welche Auswirkungen das auf das Gesamtgebilde haben wird. Als Folge wird sein für jedes andere zu sanierende Unternehmen gut geeignetes Vorgehen am Nürburgring Schaden verursachen, auch wenn das sicher nicht seine Absicht ist. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ihm das sehr fragile Gleichgewicht, in dem der Ring gehalten werden muss, vollständig klar ist, auch wenn er natürlich da gegenteiliger Ansicht ist.

Das Interview vermittelt sehr deutlich, worauf es Carsten Schumacher ankommt: Profitabilität. Er muss Gewinne heranschaffen, sonst werden die Geldgeber sauer sein. Er will dies mit klassischen Mitteln erreichen, durch Kostenreduzierung, Abtrennen unwirtschaftlicher Aktivitäten (F1), Gewinnsteigerung bei bestehenden Aktivitäten (typische Rennveranstaltungen, Touristenfahrten) und Erschließung neuer Geschäftsfelder (Messen u.ä.).

All das gehört zu einem profitorientierten privaten Betreiber. Das war immer schon vorhersehbar und wurde auch hinlänglich immer wieder beschrieben. Lindner & Richter haben das versucht, Robertino Wild hat zumindest davon geträumt, nun ist Schumacher an der Reihe. Er handelt im Rahmen der Möglichkeiten und kann alles damit rechtfertigen, dass er als Unternehmer ja keinen Verlust machen darf.

Passend hierzu das folgende Zitat mit Bezug auf die F1:

CS: „Ich glaube, dass es generell keinen Sinn macht, Veranstaltungen zu organisieren, bei denen man nur Geld wechselt, aber keines verdient. Das kann sich niemand auf Dauer leisten, und das kann sich auch keine andere Rennstrecke in Deutschland leisten.“


Schauen wir nun auf die Auswirkungen auf den Betrieb am Nürburgring, so wie wir ihn bisher kennen. Da lohnt sich der Blick auf die Details:

CS: „Wir haben überhaupt kein Problem, die Rennstrecken zu vermieten. Aber wenn wir die Strecke nur vermieten und nicht in den Status kommen, dass wir Mitveranstalter sind, dann werden wir auch diesen Teil des Geschäfts auf Dauer nicht profitabel gestalten können.“


Die Vermietung der Rennstrecken ist der Dreh- und Angelpunkt des Geschäfts. Hier liegt das Monopol, mit dem alles andere gesteuert werden kann. Die Veranstalter am Ring sollten sich diesen Satz sehr genau durchsehen, denn es ist die klare und unmissverständliche Kampfansage, dass sich die CNG in die Veranstaltungen einmischen und mitkassieren will, und zwar über die reine Streckenmiete hinaus. Pläne für Alternativen zur VLN wurden nach unseren Informationen bereits diskutiert.
Auch die aktuelle Situation rund um die Test- & Einstellfahrten ist ein Verlust für die Rennserien, da sich die CNG in dieses Geschäft hineingedrängt hat.

Die Aussage zeigt klar auf, dass Carsten Schumacher noch Potenzial gerade im Bereich der Rennstrecken sieht, das er sich sichern will. Das kann nur zu Lasten der Veranstalter (Motorsportclubs, Rennserien, Trackday-Veranstalter) oder zu Lasten der Teilnehmer gehen.

Ein weiteres Zitat:

CS: „Wir haben uns die Messelandschaft angesehen mit der Fragestellung, welche Messen für uns interessant sein könnten. Es gibt weitere Möglichkeiten rennsport- oder automobilaffiner Veranstaltungen. Da können wir unsere Rennstrecken, Flächen und das Hotel vermieten oder das Catering besorgen. Darüber hinaus muss man sich Gedanken machen, wie wir den Rennsport nicht nur für die klassischen Zielgruppen attraktiv machen. Und nicht zuletzt schauen wir auf Käufergruppen, die wachsen und die entsprechenden Mittel haben, um die Veranstaltungen zu finanzieren. Da ist die Oldtimer-Szene ganz wichtig.“


Es macht sicher allen Sinn, über die Nutzung der leerstehenden Gebäude nachzudenken. Ob es gelingen kann, Messen dort unterzubringen, bleibt abzuwarten. Wünschenswert wäre es. Kritisch sehe ich allerdings die Kombination mit Rennstreckenvermietung, Hotels und Catering. Lindner & Richter waren immer sehr vorsichtig, derartige Koppelgeschäfte in der Öffentlichkeit zuzugeben, hier werden sie als klare Zielsetzung ausgewiesen.

Im Zuge des EU-Beihilfeverfahrens kam es vor allem darauf an, die durch die Zahlungen des Landes entstandene Wettbewerbsverzerrung zu entfernen. Das Land bezahlte viel Geld dafür, dass der Ring über neu gebaute Hotels und Anlagen mit der Region direkt in Konkurrenz treten konnte. Nun ist diese Wettbewerbsverzerrung vorerst festzementiert, ohne dass sich die Region dagegen wehren kann.

Die Hotels und Restaurants der CNG werden permanent einen Wettbewerbsvorteil haben. An irgendeinem Ende wird man dann feststellen, dass es jetzt zu viele Betten in der Region gibt, mit entsprechenden Konsequenzen. Die Aussage ist eine weitere Kampfansage an die regionalen Anbieter.

Nun zur Preisentwicklung:

CS: „Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Rennstrecke als Ganzes über den Rennsport hinaus zu entwickeln. Wir sind auch bereit, in diese Entwicklung Geld zu stecken. Aber betriebswirtschaftlich wird das Ganze nur funktionieren, wenn wir Geld verdienen. Es wird definitiv tendenziell teurer werden. Aber wir wollen die Vielfalt, und wir suchen nach Lösungen, damit auch der Breitensport - also Gleichmässigkeitsfahrten, RCN und VLN - bezahlbar bleibt.“


Hier zeigen sich klar die Grenzen des Nürburgring-Gesetzes. Keine Landesregierung wird von einem Unternehmer verlangen, dass er Geld zusetzt. Also lassen sich die Preise aus betriebswirtschaftlichen Gründen problemlos anheben, solange es die Kunden mitmachen. Die Bemerkung, dass Carsten Schumacher die Vielfalt erhalten möchte, sehe ich durchaus als ernst gemeint an. Allein aber schon die Preisgestaltung zu den T&E zeigt, dass es fundamentale Unterschiede in der Ansicht gibt, was angemessen und bezahlbar ist, und was nicht.

Zu den Test- und Einstellfahrten konkret:

CS: „Es wird darauf ankommen, ob die Teilnehmer das Angebot - selbst, wenn es hochpreisig ist - als fair empfinden. Wir haben auf die Kritik im Thema Schäden reagiert, indem wir einen Fonds bilden, aus dem das bezahlt wird.“


Er gibt also gleich zu, dass die Preise hoch sind. Ich bin gespannt, wie viele RCN-Teilnehmer das Angebot als "fair" ansehen werden, wo es mehr als drei Mal so teuer ist im Vergleich zum Vorjahr und gleichzeitig den RCN-Teams die einzige Möglichkeit im Jahr überhaupt genommen wird, Taxifahrten durchzuführen.
Die Reaktion auf die Kritik am Thema Schäden ist bisher unbefriedigend. Die Haftungsbedingungen gehören dringend überarbeitet. Sollten die Schäden tatsächlich ausgeschlossen werden, wäre das zu begrüßen.

Auch zu den Touristenfahrten gibt es eine Aussage:

CS: „Vom 1. Mai an werden wir bei den Touristenfahrten ein flexibles Preissystem einführen. Das heisst, am Wochenende wird es teurer als bisher, unter der Woche dagegen deutlich günstiger. Es wird ausserdem künftig ein Kundenkonto und verschiedene Rabattstufen geben.“


Dieses Modell wird bereits seit längerem diskutiert. Es wird meiner Meinung nach nicht zu einer Entzerrung am Wochenende führen, da eben die meisten Fahrer nur am Wochenende zum Ring kommen können, selbst wenn sie mittwochs umsonst fahren könnten. Dies gilt vor allem für diejenigen, die nicht in der unmittelbaren Umgebung des Rings wohnen. Unter dem Strich sollte also hier ein sattes Plus für die CNG herauskommen, bis dann irgendwann der Bogen wirklich überspannt ist und die Leute wegbleiben.

 

Carsten Schumacher zeigt in diesem Interview deutlich auf, wo die Reise hingehen wird. Ob er sich dabei der Tragweite bewusst war, dieses Gedankengut öffentlich zu machen, ist unklar. Seine Handlungsweise ist von ganz normalen unternehmerischen Überlegungen geprägt. Leider wird sie aber dazu führen, dass existierende Strukturen darunter zu leiden haben oder gar daran zerbrechen werden. Der Motorsport am Nürburgring läuft finanziell am Anschlag. Man mag es mit entsprechendem Marketing übertünchen, aber die Anzahl derer, die sich die Teilnahme leisten können, ist begrenzt. Oftmals ist schon nach einem oder zwei Jahren Teilnahme Schluss, vor allem nach Schäden oder Unfällen. Die Rennserien arbeiten mit Teilnehmerzahlen, bei denen 10 Autos mehr oder weniger schon für den Erfolg der Veranstaltung verantwortlich sind.

Die Region muss nun mit dieser geballten Macht am Ring fertig werden. Kein Ringgesetz wird den Vorteil ausgleichen können, den die CNG für ihre eigenen Hotels und Services durch das Monopol der Rennstrecken hat.

Trotzdem bezweifeln wir, dass es möglich sein wird, dauerhaft die Gewinne zu erwirtschaften, die die neuen Eigentümer zufrieden stellen werden. Eine Stiftung hätte diese Last nicht zu tragen gehabt, da sie den Kaufpreis nicht zu erwirtschaften gehabt hätte und darüber hinaus auch keinen Profit zu generieren hätte.

 

Das genannte Interview erschien in der MOTORSPORT aktuell vom 24.2.2015. Leider gibt es noch keine Online-Version davon, die ich verlinken könnte.

 


Pressekontakt:
Verein "Ja zum Nürburgring", Kontakt: Dieter Weidenbrück, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!