Die unterschiedlichen Emotionen rund um den Nürburgring haben sich noch nicht beruhigt. Das wäre so kurz nach der Unterzeichnung eines Kaufvertrags und nach den langen Jahren, in denen sich zu viele Menschen an der Nase herumgeführt gefühlt haben, wirklich auch zu viel verlangt. Grundvoraussetzung für eine Beruhigung wäre eine von allen anerkannte, langfristig stabile Perspektive für den Nürburgring. Die gibt es aber allein schon aufgrund der ausstehenden EU-Entscheidung noch nicht, und genau deshalb wird die jetzige Situation auch von den Menschen unterschiedlich gesehen und bewertet. Aber ist deshalb jeder ein Nörgler oder Unbelehrbarer, der jetzt Skepsis zeigt?

Wie viele Andere auch empfinden wir capricorn und/oder GetSpeed nicht als „Feind“ oder „Gegner“. Warum auch? Es sind Unternehmen, die sich auf eigenes Risiko in Meuspath niedergelassen haben. Dann haben sie sich zusammengetan und mit erheblichem Einsatz, auch finanziell, den Verkaufsprozess durchgestanden. Bei aller Überzeugung, dass dieser Verkauf nicht in EU-konformer Weise durchgeführt wurde, und bei aller Kritik an der Landesregierung, dass sie überhaupt den Ring verkaufen will, können und wollen wir capricorn keinen Vorwurf machen. Vielmehr haben wir Respekt vor dem Risiko, dass die Gesellschafter mit diesem Kauf eingegangen sind. Entsprechend respektvoll werden wir auch mit diesen Unternehmen umgehen.

Ein Käufer aus der Region (na ja, Düsseldorf ist nicht gerade Region, aus Kölner Sicht sowieso nicht…), enge Beziehung zum Motorsport, Nürburgring-Fan von Kind an, großartiges Konzept, um alles das zu erhalten, was den Nürburgring-Fans am Herzen liegt, was will man da mehr?

Ganz einfach:

Wir wollen die Sicherheit, dass es auch genau so kommt.

Dazu müssen einige Bedingungen erfüllt sein:

  • Der Käufer muss finanziell und strukturell stabil genug sein, um eine langfristige Perspektive (über 20 Jahre) bieten zu können.
  • Das tatsächlich umgesetzte Geschäftsmodell muss verträglich für den Motorsport und die Region sein.
  • Das Geschäftsmodell muss gleichzeitig sicherstellen, dass der Betrieb profitabel wird und bleibt.
  • Die EU-Kommission muss eine für den Käufer positive Entscheidung im Beihilfeverfahren treffen

Hier nun meine eigene Bewertung, wie ich die Erfüllung dieser Bedingungen sehe.

 

Finanzielle und strukturelle Stabilität

Ich werde mich nicht an Spekulationen über finanzielle Hintergründe beteiligen, wenn ich keinen vollen Zugriff auf die Unternehmensdaten habe. Alte Bilanzen reichen mir da nicht aus, auch wenn sie natürlich Hinweise geben.

Unstrittig scheint mir zu sein, dass der Käufer kein Großunternehmen mit starkem finanziellem Fundament ist. Die Finanzierungsbestätigung konnte offensichtlich erst in letzter Minute eingeholt werden. Berücksichtigen sollte man aber auch, dass hier Unternehmer ins persönliche finanzielle Risiko gegangen sind. Zumindest die Herren Wild und Heinemann (der anscheinend nur ungern mit dem Projekt in Verbindung gebracht werden möchte, was er durch seine Distanz zur Bühne und den Kameras bestätigt hat) haben bereits respektable Erfolge in ihrem beruflichen Werdegang vorzuweisen. Beiden traue ich zu, dass sie von ihrem Konzept für den Ring überzeugt sein müssen, sonst hätten sie nicht unterschrieben.

Ob finanzielle Spielräume für irgendwelche Problemsituationen existieren, kann ich nicht beurteilen, es wäre aber sehr wünschenswert.

 

Verträglichkeit des Geschäftsmodells

Ein privater Eigentümer MUSS den Ring profitabel betreiben, sonst muss er die Türen schließen. Das muss man akzeptieren. Ein Verlustbetrieb wäre selbst für die Landesregierung auf Dauer nicht tragbar gewesen. Und auch sie hätte profitabel betreiben können, wenn sie die Finger aus den Betonburgen gelassen hätte.

Profitabel und profitabel sind aber zwei unterschiedliche Dinge. Der Eine versteht darunter, gerade eben keinen Verlust zu machen, der Andere die Maximierung des Gewinns mit allen Mitteln. Heraus kommt dann eine Preisgestaltung, die die Nutzer des Rings aushalten können müssen.

Der Motorsport am Ring erlebt gerade eine Blütezeit, wobei meiner Meinung nach die Spitze schon wieder überschritten ist. Die im Breitensport traditionell sehr stark vertretenen Privatteams sind immer stärker auf dem Rückzug, weil sie sich den Motorsport nicht mehr leisten können. Noch stimmen die Teilnehmerzahlen, aber die finanzielle Sicherheit bei den Veranstaltern ist nur dünn. Große Preissteigerungen sind da nicht zu verkraften, besonders nicht bei der RCN.

Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, wie sich capricorn hier aufstellt. Die ersten Ansätze sind bereits zu erkennen, und sie sind nicht motivierend. Da kommen sowohl auf den Motorsport wie auch auf den Touristenfahrer anscheinend große Erhöhungen zu. Die Hand des Sanierers ist da deutlich zu spüren.

Die Verträglichkeit für die Region bleibt ebenfalls noch abzuwarten. Da gibt es bisher nur sehr oberflächliche Aussagen, die zu einer endgültigen Bewertung nicht ausreichen.

Insgesamt trauen wir capricorn zu, dass sie sich nicht wie die Axt im Walde aufführen wollen. Ich bin auch überzeugt davon, dass jemand wie Adam Osieka ein gutes Gefühl dafür hat, wo schädliche Grenzen überschritten werden. Alles entscheidend wird aber die benötigte Profitabilität sein, der sich alle anderen Überlegungen unterzuordnen haben.

 

Profitabilität des Geschäftsmodells

Ich zitiere hier aus dem Artikel der Wirtschaftswoche vom 1.5.2014:

„KPMG kommt darin zu dem Schluss, dass Capricorn ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in Höhe von 12,8 Millionen Euro erreichen müsse. Machbar ist laut KPMG ein Ebitda von bis zu 13 Millionen Euro. Davon allerdings ist der Ring derzeit noch weit entfernt – für 2013 vermeldeten die Insolvenzverwalter ein Ebitda von drei Millionen Euro, dieses müsste demnach vervierfacht werden.“

Wie nah diese 12,8 Millionen Euro an der Wirklichkeit sind, werden nur die neuen Eigentümer wissen. Fakt ist aber, dass der Kaufpreis zum großen Teil finanziert werden muss, und diese Kosten müssen verdient werden. Zusätzlich müssen in den kommenden Jahren jeweils 3 Mio Euro an Kaufpreis nachgezahlt werden, auch die müssen irgendwo herkommen. Auch die Abschreibung wird einen großen jährlichen Betrag ausmachen. Notarkosten, Grunderwerbssteuer, Rechtsanwaltskosten werden einige Millionen erfordern.

Und damit ist noch nichts verändert, nichts abgerissen, nichts neugebaut. Diese Steigerung des Ertrags muss also aus dem jetzt laufenden Geschäft heraus erwirtschaftet werden. Da gibt es auf jeden Fall Einsparungsmöglichkeiten auf der Kostenseite. Ungünstige Verträge können angepasst werden, die Anzahl der Mitarbeiter kann reduziert werden, die ringcard wird abgeschafft. In direkten Gesprächen haben wir den Eindruck bekommen, dass auf der Kostenseite sicher gespart werden kann. Das Potenzial wurde mit ca. 3 Millionen beziffert, wenn ich mich recht entsinne.

Der Rest der benötigten Steigerung muss also dann anders hereinkommen, und da bleiben nur Preiserhöhungen. Man kann das jetzt als „zusätzliche Services für die Veranstalter“ verkleiden, oder aber als günstiges Angebot für die Touristenfahrer, zu verbilligten Preisen in der Woche zu fahren, während man am Wochenende die Preise kräftig anhebt, um dort die Teilnehmerzahl und damit das Unfallrisiko zu reduzieren. Ich bin gespannt, wie viele Touris es schaffen werden, statt an ihrem freien Wochenende mitten in der Woche die Zeit für ihre Runden zu finden. Für alle anderen wird es dann am Wochenende wohl teurer.

Es fällt mir schwer, an die Möglichkeit einer derartigen, sprunghaften Steigerung des Ertrags zu glauben. Gelingt sie nicht, ist unklar, wie capricorn die Situation meistern will. Darüber hinaus hängen alle geäußerten Ideen zur Zukunft dann von einer noch höheren Ertragsrate ab.

 

Die Entscheidung der EU-Kommission

Hierzu hatte ich einen separaten Kommentar gepostet, aus dem ich nur die Schlussfolgerung wiederholen will:

Angesichts der massiv vorgetragenen Beschwerden fällt es mir schwer, an ein glattes Durchwinken bei der EU zu glauben. Vergleichbare Fälle haben gezeigt, dass die EU ihr Eigenleben hat und sich kaum von einer Landesregierung unter Druck setzen lässt. Aus diesem Grund bin ich sehr skeptisch, was den Fortbestand der jetzigen Käufersituation angeht. Und dabei bin ich mir bewusst, dass es US-Investoren sind, die hier einschreiten, die niemand am Ring haben will.

Man muss akzeptieren, dass der Bestand des jetzigen Kaufvertrags nicht davon abhängt, ob die Menschen in der Region oder im Motorsport capricorn „eine Chance geben“ wollen. Vielmehr wird man sich vielleicht die Frage stellen müssen, ob ein Einschreiten notwendig sein könnte, um einen Erfolg für einen unbekannten US-Investor zu verhindern.

Es wird jetzt um jahrelange Rechtsstreitigkeiten gehen, zum Schaden des Nürburgrings.

 

Schlussbemerkung

Danke an alle, die es bis hier geschafft haben. Es ist keine leichte Lektüre, und in der Zukunft wird es wohl noch viel komplizierter werden. Vielleicht wird aber jetzt klarer, dass es nicht darum geht „gegen capricorn“ zu sein. Es geht nur darum, eine verträgliche, langfristig stabile Lösung für den Nürburgring zu finden. Diese wird sich aber nicht allein dadurch einstellen, dass man „für capricorn“ ist, oder capricorn „eine Chance geben“ will.

Jeder, der für capricorn schwärmt und dabei die vielen offenen Fragen und die sehr komplexe EU-Situation übergehen kann, hat das Recht dazu. Angesichts dieser offenen Punkte ist es uns aber noch nicht möglich, der jetzigen Situation viel Positives abzugewinnen.

Es wäre schön, wenn alle offenen Punkte sachlich geklärt werden könnten, ohne dass in Freund-Feind-Kategorien gedacht wird.



 

Pressekontakt:
Verein "Ja zum Nürburgring", Kontakt: Dieter Weidenbrück, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
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