Nürburg, 12. Januar 2014 – Die Insolvenzverwalter betreiben die Veräußerung des Nürburgrings mit großem Nachdruck. Spätestens im ersten Quartal 2014 soll der Verkauf abgeschlossen sein. Dabei werden Bieter bevorzugt, die Gesamtangebote auf die Sportstätte zusammen mit den Hotellerie- und Freizeitanlagen abgeben: Der Investor kann so den Gesamtkomplex zu einem Bruchteil der tatsächlich geflossenen staatlichen Beihilfen – ohne Altlasten – fortführen, inklusive des natürlichen Monopols der Rennstrecke. Dadurch werden die wegen der Beihilfen eingetretenen Wettbewerbsverzerrungen zementiert und die Beihilfenproblematik verschärft. Bieter, die nur die Rennstrecke erwerben wollen, werden diskriminiert. Der Investor muss daher damit rechnen, zur Rückzahlung der Beihilfen verpflichtet zu werden. Die Verstöße des Veräußerungsprozesses gegen die europäischen Regeln verhindern, dass der Nürburgring in eine sichere Zukunft geht. Der Motorsport und die Eifel-Region brauchen aber nach den fatalen Fehlern der Vergangenheit endlich Ruhe und Planungssicherheit. Der Verein „Ja zum Nürburgring“ sah sich daher gezwungen, eine erneute Beschwerde an die Europäische Kommission zu richten, um die Fehler des von den Insolvenzverwaltern betriebenen Verkaufs deutlich zu machen und die sofortige Einstellung des Bietverfahrens zu fordern.

Die Auseinandersetzung geht leider weiter“, bedauert Otto Flimm, der Vorsitzende des Vereins „Ja zum Nürburgring“. Unsere Angebote, gemeinsam für die Sicherung des gemeinwohlorientierten Erhalts und Betriebs der Rennstrecke einzutreten, wurden ausgeschlagen. „Nachdem das völlig überzogene Projekt „Nürburgring 2009“ die Rennstrecke unverschuldet in das finanzielle Chaos und die Nürburgring GmbH in die Insolvenz getrieben hat, können wir nicht akzeptieren, dass der Ring durch weitere fatale Fehler seiner Zukunft beraubt wird“, kritisiert Flimm. Der Verein hatte Ministerpräsidentin Dreyer bereits am 27. November 2013 in einem Schreiben über zentrale beihilfenrechtliche Probleme des Bietverfahrens informiert. Dieses Schreiben blieb leider unbeantwortet, sodass nun der erneute Gang nach Brüssel notwendig wurde.

Das Bietverfahren ist nicht geeignet, die marktübergreifend wirkenden Wettbewerbsverzerrungen, die aufgrund der Beihilfen für das Projekt „Nürburgring 2009“ eingetreten sind, zu beseitigen. Die Übertragung des integrierten Betriebs der Rennstrecke sowie der Hotels und Freizeitanlagen bewirkt, dass der wettbewerbswidrige Vorteil jetzt einem privaten Investor zugute kommt. Diese sog. wirtschaftliche Kontinuität soll durch das europäische Beihilfenrecht gerade ausgeschlossen werden. Darüber hinaus läuft das Verfahren weder transparent noch diskriminierungsfrei ab“, resümiert Dr. Dieter Frey, Partner der Kölner Sozietät FREY Rechtsanwälte, die die Beschwerde für den Verein erarbeitet hat.

Gebündelter Verkauf zementiert Wettbewerbsverzerrungen

Das von den Insolvenzverwaltern aufgestellte zentrale Kriterium der „Wertmaximierung über alle Vermögensgegenstände“ hinweg bewirkt, dass Gebote für das Gesamtkonglomerat aus Rennstrecke, Hotels und Freizeitanlagen bevorzugt werden. Es werden gar keine gesonderten Angebote etwa für die Rennstrecke allein abgefragt und miteinander verglichen. Im Zentrum der Betrachtung der Verkäufer steht immer das von dem jeweiligen Bieter abgegebene Gesamtangebot, unabhängig von dem Umfang der zu erwerbenden Vermögensgegenstände.

Dieses Vorgehen lässt die mit Beihilfen geschaffenen Wettbewerbsvorteile bestehen. Das öffentliche Eigentum wird lediglich in die Hände eines privaten Investors gegeben. Nur dass nach dem Verkauf der private Investor von den Beihilfen profitiert und als übermächtiger Konkurrent die ganz unterschiedlichen Wirtschaftsaktivitäten integriert unter der weltbekannten Marke „Nürburgring“ fortführt. Diese dem Beihilfenrecht widersprechende Zielsetzung zeigt sich deutlich in den Ausschreibungsunterlagen: Dem Investor wird ein „Neuanfang ohne Altlasten“ versprochen. Nicht nur der Betrieb der gesamten Infrastruktur am Nürburgring mit einem gemeinsamen Management und einer zentralen Verwaltung wird dem Investor schmackhaft gemacht, sondern es werden auch die „Synergien“ von Übernachtungs- und Gastronomieformaten, den Veranstaltungsstätten sowie der Rennstrecke angepriesen. Dem Erwerber des Gesamtkomplexes wird so die Möglichkeit verschafft, die mit Beihilfen errichteten Hotellerie- und Freizeiteinrichtungen gemeinsam mit dem natürlichen Monopol der Rennstrecke zu einem Bruchteil der tatsächlich geflossenen staatlichen Beihilfen – ohne Altlasten – zu erwerben. „Damit werden doch Kopplungsgeschäften auf Kosten des Sports und der regionalen Wirtschaft Tür und Tor geöffnet“, ist Flimm entsetzt.

Ein getrennter Verkauf der Vermögensgegenstände soll eine „wirtschaftliche Diskontinuität“ bewirken, um die Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen und den mit den Beihilfen erzeugten Vorteil auszuräumen. „Der Zustand vor der Gewährung der Beihilfen für das unselige Projekt „Nürburgring 2009“ kann daher nur durch die Trennung der Rennstrecke von den Hotels und der Kirmes herbeigeführt werden“, ist Flimm überzeugt. Frey ergänzt: „So wie der Veräußerungsprozess konstruiert ist, wird weder dem Sport noch der Region eine zukunftssichere Grundlage geboten. Der Erwerber muss damit rechen, dass die Verpflichtung der Rückzahlung auf ihn ausgedehnt wird. Damit wäre die nächste Insolvenz absehbar und der Nürburgring würde wegen weiterer Streitigkeiten nicht zur Ruhe kommen.“

Bieter für die Rennstrecke werden diskriminiert

Der Veräußerungsprozess diskriminiert Interessenten, die z.B. nur für die Rennstrecke bieten. Es fehlen die europarechtlich erforderlichen Bewertungs- und Zuschlagskriterien, die die Vergleichbarkeit von Angeboten auf einzelne Vermarktungseinheiten wie die Rennstrecke einerseits und integrierten Angeboten auf das Gesamtkonglomerat andererseits sicherstellen. Daher besteht erheblicher Raum für den willkürlichen Ausschluss von Bietern, die entgegen dem zutage tretenden Interesse der Insolvenzverwalter lediglich ein Angebot für einzelne Vermarktungseinheiten wie die Rennstrecke abgeben. Dieses Willkürpotenzial hat bereits der ADAC zu spüren bekommen. Sein indikatives Angebot für die Rennstrecke soll angeblich nicht konkurrenzfähig gewesen sein, sodass er nicht in den Datenraum gelassen wurde.

Das allseits bekannte Beispiel La Tene Capital zeigt dagegen, dass sich Bieter durch die Abgabe substanzloser Gesamtangebote den Zugang zum Datenraum erschleichen konnten. Gleichzeitig beschränken die Insolvenzverwalter die Zahl der Bieter, die überhaupt Zugang zum Datenraum erhalten. Für den Zugang ist die Höhe des Angebots entscheidend. Gesamtangebote, die zwangsläufig über Angeboten liegen, die nur die Rennstrecke betreffen, werden dadurch bevorzugt. Wenn dann trotz der selbst gesetzten Anforderung, Angebote in dieser Verfahrensstufe nicht auf ihre Transaktionssicherheit geprüft werden, um auch Fantasieangeboten vorzubeugen, ist das Willkürpotential komplett. „Seriöse Bieter für die Rennstrecke, die sich zum gemeinwohlorientierten Betrieb ohne Gewinnerzielungsabsicht verpflichten, werden so immer hinter den wenigen ausgewählten Gesamtangeboten – teilweise in Fantasiehöhe – liegen. Es braucht keine Juristen, um festzustellen, dass das so nicht rechtens ist“, echauffiert sich Flimm und ergänzt: „Der Ring verträgt nur Konzepte, bei denen lediglich die Betriebskosten gedeckt und etwaige Überschüsse für die Instandsetzung der Rennstrecke sowie von Brücken und Gebäuden reserviert sind. Nur so kann er langfristig überleben.“

Stopp des fehlerhaften Veräußerungsprozesses bietet neue Chance für eine gemeinwohlorientierte Lösung

Die legendäre Rennstrecke des Nürburgrings ist ein natürliches Monopol mit herausragender Bedeutung für den Motorsport und die Menschen der Region. Das erkennt auch Wettbewerbskommissars Almunia in seinem Schreiben an Ministerpräsidentin Dreyer an. Wenn europarechtlich die besondere Rolle der Rennstrecke durch ein Gesetz zur Sicherstellung des öffentlichen Zugangs zu angemessenen Entgelten geschützt werden kann, zeigt dies auch die Notwendigkeit der Trennung der Rennstrecke von den sportfremden Wirtschaftsaktivitäten. „Trotz aller Zwistigkeiten in der Vergangenheit sind wir weiter bereit, mit der Landesregierung und den Insolvenzverwaltern gemeinsam für eine gemeinwohlorientierte Lösung für die Rennstrecke einzutreten. Haben nicht die Politik und die Insolvenzverwalter immer beteuert, sich für den Sport und die Region einsetzen zu wollen?“, sagt Otto Flimm. Der Verein ist zur Zusammenarbeit bereit.